Liebe Oldtimer-Enthusiasten und Kenner klassischer Fahrzeuge,
Was verleiht einem Rolls-Royce Silver Shadow oder einem Bentley T Series das berühmte, fast schwebende Fahrgefühl und die beeindruckende Bremsleistung? Die Antwort liegt tief im Inneren: im komplexen hydraulischen System, einem Meilenstein britischer Ingenieurskunst. In diesem Beitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf Aufbau, Wartung und Weiterentwicklung dieses Systems – unverzichtbares Wissen für jeden, der sich mit Rolls-Royce- oder Bentley-Klassikern beschäftigt.
Was ist das Hydrauliksystem bei Rolls-Royce und Bentley?
Das hydraulische System der T-Serie ist mehr als nur ein Bremskraftverstärker – es steuert auch die hintere Höhenregulierung und ist zentral für die Fahrsicherheit und den Komfort.
Doch dieses System ist hoch empfindlich: Bereits kleinste Schmutzpartikel oder Bearbeitungsgrate können Fehlfunktionen auslösen. Darum gelten bei Wartung und Reparatur strikte Sauberkeitsvorgaben:
• Reinigung aller Verbindungen mit medizinischem Alkohol
• Sofortiges Verschließen geöffneter Leitungen
• Verwendung von druckfesten Verschlusskappen (Crewe-Originalteile)
• Keine Gummistopfen oder Klebebänder!
Historische Weiterentwicklungen: Aus den Service Bulletins
Im Laufe der Jahre wurde das hydraulische System durch zahlreiche Modifikationen verbessert. Diese flossen in sogenannte Service Bulletins und Spares Information Sheets ein – technische Dokumente, die heute eine wertvolle Quelle für Restaurierung und Wartung darstellen.
- Akkumulatoren & Bremsaggregate
• Umstellung auf Stahlventilgehäuse (z. B. UE.34584)
• Neue druckfeste Schläuche (z. B. UR.15246, UR.15249)
• Überarbeitetes Ladeventil mit Dichtungsring statt Nylonkugel → Achtung: Ladeventilkappen und Dichtungen nicht untereinander austauschbar! - Bremsscheiben & Bremsbeläge
• Einführung belüfteter Bremsscheiben vorn
• Korrosionsschutzbehandlung ab Fahrgestellnummern:
◦ SRH 19615 (Silver Shadow)
◦ LRH 19378 (Long Wheelbase)
◦ CRH 19419 (Corniche)
• Mintex M170 Bremsbeläge für verbesserte Reibung
• Einführung metrischer Bremssättel (UG 12114, UG 13755) - Höhenregulierung & Dichtungen
• Neue Lager aus Fluorosint in den Höhenventilen
• Austausch nur in Kombination mit:
◦ Ein-/Auslassventil
◦ Unterlegscheiben (UA 2051, UA 6102, u. a.)
• Wartungsintervall aller Gummiteile: 60.000 Meilen / 100.000 km
• Spezielle Dichtungssätze für Hydraulikkomponenten (z. B. JR 1297, JR 1300) - Pedalmechanismus & Sicherheit
• Umrüstung auf festen Anschlag für den Masterzylinder → Verbesserte Pedalrückmeldung & Warnleuchte → Teile: UR.14677, UA.401/Z
Werkzeuge & Wartungsverfahren: Zeit sparen, Fehler vermeiden
Spezialwerkzeuge wurden entwickelt, um Reparaturzeiten zu verkürzen und Fehlerquellen auszuschließen:
• Werkzeug zum Entfernen von Auslassschlauch-Klammern: RH 8090
• Wartung der Hydraulikpumpe ohne Ausbau von Vergaser & Ansaugkrümmer:
◦ Werkzeuge: RH 7098, RH 7099, RH 8615
◦ Zeitersparnis: von 3,9 auf 2,0 Arbeitsstunden
• Füllen der Akkumulatoren nur mit hochreinem Stickstoff (bis 105,46 kg/cm²)
Wartungstipps für das hydraulische System der T-Serie
• Keine Improvisationen: Nur Originalteile oder spezifizierte Ersatzteile verwenden
• Schläuche nicht verdrehen bei Montage – Risiko von Materialermüdung!
• Regelmäßige Sichtkontrolle auf Leckagen & Verschleiß
• Nur geschultes Personal darf an Druckkomponenten arbeiten
Ein oft übersehenes Detail: das originale Car Protection Kit (RH 2662) – bestehend aus Sitzbezug, Lenkradabdeckung und Servietten – signalisiert dem Kunden, dass sein Fahrzeug bei einem autorisierten Rolls-Royce/Bentley-Servicepartner war.
Das hydraulische System von Rolls-Royce Silver Shadow und Bentley T-Series ist ein Paradebeispiel für britische Ingenieurskunst – komplex, präzise und technisch brillant. Seine Entwicklung über Jahrzehnte hinweg dokumentiert ein kompromissloses Streben nach Qualität, Sicherheit und Komfort.
Für Restauratoren, Werkstätten und Besitzer gilt: Nur wer die Funktionsweise und die evolutionären Änderungen versteht, kann Wartung und Instandsetzung sachgerecht durchführen. Und nur dann bleibt das Fahrerlebnis so majestätisch, wie es sein soll.
No responses yet