Gerne erstelle ich Ihnen einen umfassenden Artikel über den „Motor“ in Rolls-Royce und Bentley Fahrzeugen, basierend auf den bereitgestellten Service Bulletins und Werkstatthandbüchern.
Der Motor in Rolls-Royce und Bentley Fahrzeugen: Ein umfassender Überblick
Dieser Artikel bietet detaillierte Informationen zum Motor und seinen zugehörigen Systemen in Rolls-Royce und Bentley Fahrzeugen, basierend auf den verfügbaren Service Bulletins und dem Werkstatthandbuch. Er behandelt allgemeine Spezifikationen, wichtige Komponenten, Wartungsrichtlinien und spezifische Modifikationen, die im Laufe der Zeit eingeführt wurden.
1. Motor – Allgemeine Spezifikationen und Aufbau
Die hier behandelten Fahrzeuge sind mit einem leistungsstarken 90°-V-Achtzylindermotor ausgestattet.
- Kühlung: Der Motor ist flüssigkeitsgekühlt.
- Zylinder: Acht Zylinder, angeordnet in zwei Bänken zu je vier.
- Abmessungen:
- Bohrung: 10,41 cm (4,10 Zoll).
- Hub: 9,91 cm (3,90 Zoll).
- Hubraum: 6,75 Liter (411,9 Kubikzoll).
- Kompressionsverhältnis: Je nach Spezifikation 9:1, 8:1 oder 7,3:1. Insbesondere aufgrund japanischer Kraftstoffvorschriften und der allgemeinen Nichtverfügbarkeit von 100 RON Oktan-Kraftstoff wurden Motoren mit 8:1 Kompressionsverhältnis für den Betrieb mit 97 RON Kraftstoff ausgelegt.
- Kurbelwelle: Wandelt die vertikale Bewegung der Kolben in eine Drehbewegung um. Das axiale Spiel wird vom mittleren Hauptlager aufgenommen.
- Eine wichtige Modifikation betrifft das vordere Hauptlager (SY/E31): Es wurde ein neues Lager ohne Mittelnut eingeführt, das eine größere Lasttragfläche bietet, während Material und Gesamtabmessungen unverändert blieben. Es ist entscheidend, diese neuen Lagerschalen nur an den vorderen Hauptlagerzapfen zu montieren, um Ölmangel zu vermeiden.
- Zylinderblock und -köpfe: Der Zylinderblock ist ein Monoblock-Guss aus Aluminiumlegierung. Es gibt zwei abnehmbare Zylinderköpfe, ebenfalls aus Aluminiumlegierung, mit separaten Ein- und Auslasskanälen. Die Zylinderlaufbuchsen sind abnehmbare Nasslaufbuchsen aus Gusseisen, die bei übermäßigem Verschleiß ausgetauscht werden können.
- Kolben: Änderungen in der Kolben-Einstufung wurden vorgenommen; die frühere M-Klasse für ältere Motoren mit akzeptablem Bohrungsverschleiß wird nun als X-Klasse bezeichnet.
- Ventilschaftdichtungen und Ventilfedern: Es wurde eine neue Dichtung für Ventilschäfte und eine verbesserte Ventilfeder eingeführt (SY/E41). Beim Austausch muss das Ventil auf die richtige Höhe eingestellt werden, um das richtige Kontaktbild zu gewährleisten. Für ältere Fahrzeuge wurde der Austausch von Ventilschaftdichtungen und Ventilfedern ohne Ausbau des Zylinderkopfs durch eine spezielle Methode ermöglicht, bei der Druckluft über einen Adapter in das Zylinderloch eingeführt wird. Spezielle neue Einlass- und Auslassventilfeder-Haltekegel wurden ebenfalls eingeführt (SY/E37).
- Hintere Kurbelwellen-Öldichtung: Eine neue PTFE-Dichtung wird für alle Ersatzlieferungen verwendet (SY/E42). Diese Dichtung muss trocken auf der Welle montiert werden, ohne Öl oder Schmiermittel.
2. Schmiersystem
Das Motorschmiersystem ist so konzipiert, dass verschiedene Komponenten mit unterschiedlichem Öldruck versorgt werden:
- Hochdrucköl wird an die Kurbelwelle, Pleuelstangen, Nockenwellenlagerflächen, Steuergetriebe, Stößel, Stößelstangen und Kipphebellagersitze geliefert.
- Niederdrucköl wird durch das vordere Nockenwellenlager zu Kipphebelwelle, Kipphebeln und Ventilsitzen geführt.
- Spritzöl: Pleuelstangen-Kleinenden, Kolbenbolzen und Zylinderwände werden durch Spritzöl aus dem Kurbelgehäuse geschmiert.
- Ölpumpe: Die Pumpe ist eine Zahnradpumpe. Beim Einbau ist unbedingt darauf zu achten, dass das angetriebene Ölpumpenrad und das Antriebsrad der Kurbelwelle aus unterschiedlichen Materialien (Bronze und Stahl) bestehen, um ein Festfressen zu verhindern. Wird ein neues angetriebenes Ölpumpenrad verbaut, muss auch das Antriebsrad an der Kurbelwelle ersetzt werden. Das Zahnflankenspiel zwischen Antriebs- und Abtriebsrad muss korrekt eingestellt werden.
- Ölstand: Der Ölstand darf niemals unter die MIN-Markierung am Ölmessstab fallen, da dies zu ernsthaften Motorschäden führen kann. Nach Arbeiten am Ölfiltergehäuse oder der Ölablassschraube sind Leckagen sofort nach dem Starten des Motors zu prüfen.
- Motoröl: Ein neues Motoröl mit niedrigerer Viskosität wurde für bestimmte Motoren zugelassen (SY/C19). Es ist zu beachten, dass bei älteren, verschlissenen Motoren, die Öl verbrennen oder verlieren, die Ölverlustrate durch dieses Öl zunehmen kann.
3. Kühlsystem
Das Kühlsystem ist ein geschlossenes System, das eine Mischung aus Frostschutzmittel und Wasser verwendet.
- Kühlmittelpumpe: Eine Zentrifugalpumpe, die vom Motor über einen verstellbaren Keilriemen angetrieben wird, zirkuliert das Kühlmittel.
- Thermostat: Regelt die Kühlmitteltemperatur und öffnet bei 85°C bis 89°C (185°F bis 192°F).
- Frostschutzmittelkonzentration: Die empfohlene Konzentration liegt zwischen 45% und 55%. Herkömmliche Hydrometer sind oft ungenau, da sie in der Regel nicht mehr als 40% messen können.
- Kühlmittelpumpendichtungen: Um potenzielle Leckagen zu minimieren, werden die Dichtungen (Teilenummer UE 5352) jetzt mit Silastic 732 RTV-Dichtmittel (Teilenummer G2/131) in der Dichtungsabdeckung (Teilenummer CK 385) versiegelt.
- Lüfter: Die Befestigung des Motorkühlungslüfters an der Kühlmittelpumpenriemenscheibe wurde geändert (SY/L24), was Anpassungen am Verlängerungsstück und an der Haltebuchse erforderlich machte.
4. Kraftstoffsystem und Vergaser
Die Fahrzeuge sind je nach Modell und Markt mit SU HIF7 oder Solex 4A1 Vergasern ausgestattet.
- Kraftstoffkühler: Für Fahrzeuge in den USA und Kanada ist ein Kraftstoffkühler (SY/K12) installiert. Er nutzt das Kältemittel der Klimaanlage zur Kühlung des Kraftstoffs, bevor dieser in die Vergaser gelangt, und wird links vom Klimakompressor montiert.
- Kraftstoffpumpen: Es gibt Einzel-Pierburg-Drehschieberpumpen oder Doppel-SU-Pumpen. Die Pierburg-Pumpe ist vertikal am hinteren Achsträger befestigt. Eine neue Pierburg-Kraftstoffpumpe wurde eingeführt (SY/K19), die eine andere elektrische Verbindung aufweist und die Verwendung eines neuen Lucar-Steckers zur Anpassung des vorhandenen Kabelbaums erfordert. Auch die Kraftstoffpumpenhalterung wurde überarbeitet (SY/K18), mit einer neuen Version mit Messinggewindeeinsatz, die widerstandsfähiger gegen Korrosion ist.
- Kraftstoff-Rezirkulationsdrossel: Bei Fahrzeugen für Nordamerika (1968-1980 Modelljahre) wurde der Kraftstoff-Rezirkulationsrestriktor von 1,90 mm auf 3,17 mm aufgebohrt (SY/K17). Dies soll Startschwierigkeiten bei heißem Motor beheben, die durch schnelle Kraftstoffverdampfung und ein übermäßig fettes Gemisch entstehen.
- Anti-Run-On-Solenoid: Dieses Bauteil verhindert das „Nachdieseln“ (Weiterlaufen des Motors nach dem Ausschalten der Zündung), insbesondere bei heißem Motor und der Verwendung von Kraftstoff mit niedriger Oktanzahl. Bei ausgeschalteter Zündung öffnet das Solenoidventil eine Verbindung zwischen Kraftstoffsystem und Ansaugkrümmer, was die Kraftstoffzufuhr unterbricht.
- Abgasrückführung (EGR): Bei Fahrzeugen mit Abgasrückführung wurde der Schalter, der das EGR-System bei Vollgas abschaltet, entfernt. Diese Funktion wird nun vom Kickdown-Schalter übernommen.
5. Elektrisches System – Motorbezogen
Die elektrischen Komponenten sind entscheidend für den Motorbetrieb:
- Lichtmaschine (Generator): Standardmäßig eine CAV AC5B/12/53 mit einem CAV Model 440 Typ 546 Regler.
- Batterie: Negative Erdung. Je nach Markt werden Chloride 369 (außer USA/Kanada) mit 71 Amperestunden oder Lucas Pacemaker CP13/11 (USA/Kanada) mit 68 Amperestunden Kapazität verwendet.
- Zündanlage: Lucas Opus Mk.2 „High Energy“ mit 5EM Modul, das die herkömmlichen Unterbrecherkontakte ersetzt. Eine Ballastwiderstandseinheit stellt sicher, dass stets eine ausreichende Spannung an der Primärwicklung der Zündspule anliegt, auch während des Anlassvorgangs. Eine Modifikation (SY/M112) beschreibt den Austausch älterer elektronischer Verteiler-Module durch neuere Typen mittels eines Umbausatzes.
- Zündkerzen: Für bestimmte Modelle und Märkte (Australien, Kanada, Japan, USA, 1981er Spezifikationen) werden Champion RN 12Y Zündkerzen empfohlen (SY/E39). Der Standard-Elektrodenabstand liegt zwischen 0,74 mm und 0,77 mm (0,029 Zoll und 0,031 Zoll).
- Motorüberhitzungs-Summer: Die Funktion des Summers, der bei Motorüberhitzung warnt, kann durch Erden des Zylinderkopf-Transmitter-Speisekabels überprüft werden. Diese Überprüfung sollte alle 10.000 km (6.000 Meilen) erfolgen.
- Anlasser: Der Anlassermotor dreht nur, wenn der Gangwahlhebel in „Park“ oder „Neutral“ steht. Eine Überprüfung des Anlassers umfasst das Messen des Lichtlaufstroms (max. 100 Ampere bei 5000-6000 U/min) und des Blockierdrehmoments. Das Einrückspiel des Ritzels ist ebenfalls einzustellen.
- Elektronische Geschwindigkeitsregelung (Tempomat): Das System besteht aus einem Geschwindigkeitsgenerator, einer elektronischen Steuereinheit, einem Vakuumaktuator (Balg) und einem Bedienschalter.
- Modifikationen: Eine wichtige Modifikation (SY/M109) führte zwei unabhängige Sperrkreise ein: Einer deaktiviert den Tempomat-Balg, solange das Bremspedal betätigt wird, und ein zweiter ermöglicht den Betrieb nur im höchsten Gang. Dies wurde über einen Schalter im Getriebe realisiert, der den Öldruck des höchsten Ganges erfasst.
- Balg-Aktuator: Frühe Balg-Aktuator-Baugruppen wurden durch einen neueren Typ ersetzt (SY/M113), wobei Umbausätze (RH 2762 für SU-Vergaser, RH 2763 für Solex-Vergaser) erforderlich sind. Bei der Montage muss der Kettendurchhang zwischen Balg und Vergaserhebel auf „eine Kugel Spiel“ eingestellt werden, bevor der Vergaserhebel bewegt wird.
- Geschwindigkeitsmesser-Verkabelung: Die positive Zuleitung zum elektronischen Geschwindigkeitsmesser wurde geändert (SY/M111) und wird nun vom Relais der Kraftstoffpumpen (Sicherung Nr. 2) statt von Sicherung Nr. 1 versorgt.
6. Hydrauliksystem (Mineralöl)
Eine signifikante Änderung betrifft das Hydrauliksystem, das ab einer bestimmten Fahrgestellnummer vollständig auf Mineralöl (LHM, z.B. Castrol Hydraulic System Mineral Oil, Total LHM) umgestellt wurde.
- Warnung: Es ist zwingend erforderlich, Mineralöl und herkömmliche Bremsflüssigkeit (RR363), die in älteren Fahrzeugen verwendet wurde, NICHT ZU MISCHEN, da dies zu schweren Schäden führen kann. Es gibt einen Kontaminationstest-Kit (SY/G73) für Mineralöl-Hydrauliksysteme.
- Reservoir: Ein neues Reservoir-Einfüllgerät wurde eingeführt (SY/G74), um die Möglichkeit des Einfüllens falscher Flüssigkeiten weiter zu reduzieren.
7. Wartungstipps und Diagnose (Motorbezogen)
Das Werkstatthandbuch enthält umfassende Abschnitte zur Fehlerdiagnose des Motors. Hier sind einige häufige Symptome und mögliche Ursachen:
- Motor startet nicht:
- Gangwahlhebel nicht in „Neutral“ oder „Park“.
- Zündungssicherung durchgebrannt.
- Batterie entladen oder fehlerhafte Batterie-/Anlasserrelais-Verbindungen.
- Defektes Anlasserrelais oder Anlassermotor.
- Kein Kraftstoff am Motor, fehlerhaftes Zündsystem, übermäßiger Kraftstoff oder falsche Kraftstoffdosierung.
- Unrunder Motorlauf / Zündaussetzer:
- Defekte Zündkerzen oder fehlerhaftes Zündsystem.
- Luftlecks im Ansaugsystem oder blockierter Luftfilter.
- Leistungsverlust:
- Verschlissene oder verbrannte Ventile, gebrochene/schwache Ventilfedern.
- Defekte Zylinderkopfdichtung.
- Unzureichende Kraftstoffzufuhr oder klemmende Drosselklappensteuerung.
- Motor „spuckt zurück“ (Backfire):
- Falsche Kraftstoffdosierung, nicht richtig sitzende Einlassventile, falsche Kraftstoffsorte, fehlerhaftes Zündsystem oder stark verkokter Motor.
- Überhitzung:
- Kühlmittelverlust, defekter Thermostat, gerissener/rutschender Antriebsriemen, defekte Kühlmittelpumpe.
- Schwaches Kraftstoff-Luft-Gemisch, unzureichende Motorschmierung, fehlerhaftes Zündsystem.
- Blockiertes Kühlsystem oder eingeschränkter Luftstrom durch den Kühler.
- Niedriger Öldruck:
- Unzureichende Ölzufuhr, niedriger Ölstand in der Ölwanne.
- Defektes Öldruckmessgerät, verschlissene/defekte Ölpumpe, verstopftes Ölsieb.
- Defekte Dichtungen in der Ölpumpe oder den Hauptölkanälen.
8. Wichtige Sicherheitshinweise
- Abschleppen: Das Fahrzeug darf nicht zum Starten des Motors abgeschleppt werden. Bei mechanischen Getriebeschäden oder niedrigem Drehmomentwandler-Flüssigkeitsstand nicht abschleppen. Eine Höchstgeschwindigkeit von 72 km/h (45 mph) und eine maximale Distanz von 80 km (50 Meilen) dürfen nicht überschritten werden; für längere Strecken muss die Gelenkwelle getrennt oder das Fahrzeug transportiert werden.
- Elektrische Arbeiten: Keine „Live“-Verbindungen oder -Trennungen vornehmen, wenn Kraftstoff, Kraftstoffdämpfe oder andere entzündliche Materialien vorhanden sind. Die Batterie darf nicht bei laufendem Motor getrennt oder angeschlossen werden. Der Motor muss ausgeschaltet sein, bevor ein Kabel vom Ladesystem getrennt wird. Immer die richtige Polarität vor dem Einbau einer Batterie prüfen. Kurzschlüsse oder Verpolung, egal wie kurz, verursachen sofortige und dauerhafte Schäden an Transistoren und Dioden.
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